WEHRET DEN ANFÄNGEN

1933 – Ermächtigungsgesetz
Am 23. März 1933 wurde das sogenannte "Ermächtigungsgesetz" im Reichstag beschlossen. Es verlieh der Regierung Hitler die Kompetenz, Gesetze ohne Zustimmung von Reichsrat und Reichstag und ohne die Gegenzeichnung des Reichspräsidenten zu erlassen (Quelle: Deutsche Wissenschaftliche Dienste Nr. 13/8 vom 7. April 2008). Dieses Ermächtigungsgesetz brachte erhebliche staatliche Willkür hervor.

1934 Einführung Prüfungsmonopol der Genossenschaftsverbände
Kurz darauf, im Jahr 1934, wurde von Adolf Hitler eine Reform des Genossenschaftsgesetzes unterzeichnet. Darin wurde unter anderem bestimmt, dass alle Genossenschaften im Deutschen Reich sich einem Genossenschaftsverband anschließen und sich auch von diesem Verband prüfen lassen mussten. Das Prüfungsmonopol der Genossenschaftsverbände war geboren.

Im Juli 2018 veröffentlichten die GenoNachrichten einen Beitrag unter dem Titel „
Genossenschaften in der Nazi-Zeit: Kompromisslose Aufklärung und reinigendes Gewitter bitter nötig“ Sie berichteten über einen Beitrag von Prof. Dr. Günther Ringle, veröffentlicht in den Wismarer Diskussionspapieren mit dem Titel: „Verfremdung der Genossenschaften im Nationalsozialismus - Gemeinnutzvorrang und Führerprinzip“.
Ein Diskussionspapier, das jeder der sich für die Geschehnisse rund um die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden eG interessiert, lesen und über die Parallelen zu heute nachdenken sollte.

Dr. Ringle führt darin u.a. aus:
„Mit dem Verständnis von nationalsozialistischer Führung war das genossenschaftliche Prinzip der demokratischen Selbstverwaltung im Sinne der Willensbildung und Kontrolle „von unten nach oben“ nicht vereinbar. Hauptzielpunkt des Angriffs war die Position des von den Mitgliedern gewählten Vorstandes. An die Stelle der Selbstverwaltung trat das vom deutschen Nationalsozialismus geprägte „Führerprinzip“ als Leitbild, politisches Konzept und Propagandaformel des Nationalsozialismus – und als solches in absolutem Widerspruch zur Selbstverwaltung stehend! Führungspersonen waren „von oben“ einzusetzen.“

2024 – Die Genossenschaft ist tot
„Die Genossenschaft, wie wir sie einst kannten, ist tot“, sagt ein Mitglied am Mittwoch im Gespräch mit dieser Zeitung. (Quelle: Südthüringer Zeitung vom 12.Juni 2024)
igenos e.V. hat dies sehr nachdenklich gemacht, denn Hintergrund solcher Aussagen ist das derzeitige Gehabe um die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden eG.
Das heutige Genossenschaftsgesetz regelt, wie in der Zeit vor 1933, die Grundpfeiler jeder Genossenschaft. Diese sind: Förderung der Mitglieder, Selbstverwaltung, Selbstbestimmung und Selbstorganschaft. Vorstand und Aufsichtsrat müssen von Mitgliedern der Genossenschaft besetzt sein. Der Vorstand wird von der Generalversammlung oder, wenn es die Satzung bestimmt, vom mindestens dreiköpfigen Aufsichtsrat gewählt. Ist jedoch kein Aufsichtsrat (mehr) vorhanden, wird diese Aufgabe von der Generalversammlung wahrgenommen.
Die aus der Nazizeit stammende Bestimmung zur Pflichtmitgliedschaft in einem Genossenschaftsverband und die Zwangs-Prüfung durch einen Genossenschaftsverband blieb nach 1945 jedoch unangetastet.

Kreditwesengesetz (KWG) – Eine Ermächtigung für die BaFin, die Grundpfeiler jeder Genossenschaft mit Bankgeschäft außer Kraft zu setzen?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nimmt für sich in Anspruch, bei Genossenschaften, sobald sie auch ein Bankgeschäft betreiben, das KWG als Ermächtigungsgrundlage dafür anzusehen, wichtige Vorschriften der Rechtsform Genossenschaft außer Kraft zu setzen, sowie maßgebliche Organe wie Vorstand und Aufsichtsrat im Gesamten zu ersetzen und mit Befugnissen auszustatten, die eigentlich laut Gesetz der Generalversammlung, bzw. dem von den Mitgliedern gewählten Aufsichtsrat zustehen.
So wurde von ihr im Fall der VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden eG nach Rücktritt von zwei Vorständen, zwecks Erfüllung des Vieraugenprinzips ein Sonderbeauftragter für den Vorstand eingesetzt. Nach Rücktritt des gesamten 18-köpfigen Aufsichtsrates erfolgte die Bestellung eines Sonderbeauftragten für den Aufsichtsrat. Wie dabei insbesondere der Weg zum Rücktritt des gesamten Aufsichtsrates freigemacht wurde, soll (derzeit) nicht weiter behandelt werden.
Selbst nach Wahl von 12 neuen Aufsichtsräten durch die außerordentliche Generalversammlung der Mitglieder am 26.03.2024 wird diesen Aufsichtsräten die konstituierende Sitzung mit dem Hinweis auf diese Ermächtigung durch das KWG versagt.

Auf eine Anfrage von igenos e.V. (
hier zu lesen) antwortete die BaFin per Mail u.a. wie folgt:
Mein hoheitliches Handeln als zuständige Behörde im Rahmen der Bankenaufsicht beruht auf öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlagen - in der Regel solchen aus dem KWG. Ein von mir eingesetzter Sonderbeauftragter wird nicht Organ im gesellschaftsrechtlichen Sinne, sondern nimmt kraft der Wirkung eines von mir in Wahrnehmung meiner hoheitlichen Befugnisse erlassenen Verwaltungsaktes die Aufgaben und Befugnisse des jeweiligen Organs wahr. Ein Standardwerk zum KWG führt dazu Folgendes aus: "Da er [der Sonderbeauftragte] nicht in die Stellung des betroffenen Organs eintritt, ist das Gesellschaftsrecht nicht per se anwendbar. ZB sind gesellschaftsrechtliche Regeln über die Mindestbesetzung eines Organs außer Kraft gesetzt, wenn der Sonderbeauftragte für das Gesamtorgan handeln soll." (FSM-KWG/Lindemann, 6. Aufl. 2023, KWG § 45c Rn. 53
Daraus können Sie ableiten, weswegen ein von mir bei einer Genossenschaftsbank eingesetzter Sonderbeauftragter auch nicht Mitglied der Genossenschaft sein muss.
"

Das heißt, kein Organ einer Genossenschaftsbank hat irgendein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Geschäftspolitik und der Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat, wenn die BaFin meint, für diese beiden Organe einen Sonderbeauftragten „von oben“ einsetzen zu müssen. Die Rechte der Genossenschaftsmitglieder und sämtliche Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes werden mittels eines staatlichen Verwaltungsaktes ausgehebelt.

Es bleibt deshalb nur die Feststellung:
WEHRET DEN ANFÄNGEN
Mit dem Selbstverständnis der BaFin und den von ihr weit ausgelegten Befugnissen nach dem Kreditwesengesetz wurde bei der VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden eG insgesamt das genossenschaftliche Prinzip der demokratischen Selbstverwaltung im Sinne der Willensbildung und Kontrolle „von unten nach oben“ durch behördlichen Eingriff außer Kraft gesetzt. Davon ist nicht nur das Bankgeschäft betroffen, sondern der Einfluss der BaFin erstreckt sich ausdrücklich auch auf die zahlreichen anderen Zwecke, die die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden eG unabhängig vom Bankgeschäft zur Förderung ihrer Mitglieder verfolgt.
In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) war Hauptzielpunkt des Angriffs von BaFin, neben der Position des Vorstands besonders auch der von den Mitgliedern gewählte 18-köpfige Aufsichtsrat. Nach erfolgreicher Demission der beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat trat an die Stelle der Selbstverwaltung das „Führerprinzip der BAFIN“. Als solches, in absolutem Widerspruch zur Selbstverwaltung stehend, wurden Führungspersonen der Genossenschaft „von oben“ (von der BaFin) eingesetzt und mit Befugnissen ausgestattet, die nur der Generalversammlung der Mitglieder zustehen kann.
Nachdenklich bei dieser Zusammenarbeit zwischen BaFin und BVR stimmt, dass die Bestellung von Sonderbeauftragten bei der VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden eG, der erste und bisher einzige Fall im Bereich der Genossenschaftsbanken ist. Nachdenklich vor allem, da die Bestellung eines Sonderbeauftragten für den Vorstand nicht nötig gewesen wäre, da seitens des 18-köpfigen Aufsichtsrates bereits die Bestellung von weiteren Vorständen angekündigt war. Dies wurde jedoch vom BVR verhindert. Der Rücktritt des gesamten Aufsichtsrates machte dann den Weg frei für die erfolgreiche Übernahme der Genossenschaft durch Personen, die die Interessen von BaFin und BVR vertreten.
Gerade weil BaFin und BVR auch das Genossenschaftsgesetz und dort insbesondere § 38 Abs. 2 und § 44 Abs. 2 umfassend kennen, ist deshalb der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass dieses Zusammenspiel von BVR und BaFin besonders dazu diente, dem BVR zu helfen, eine sich von der Klammer der kreditgenossenschaftlichen Verbände befreite Genossenschaftsbank zu disziplinieren. Als Abschreckung für andere Genossenschaftsbanken, die sich ebenfalls rebellische Gedanken zur Selbstherrlichkeit der Genossenschaftsverbände und des BVR machen.
Ob allerdings einer staatlichen Behörde die Ermächtigung zustehen kann, sich als Helfershelfer eines eigene Zwecke verfolgenden BVR zu betätigen und mit einem Verwaltungsakt jegliche Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes zu Selbstbestimmung und Selbstverwaltung außer Kraft zu setzen, gewinnt im Bereich der Genossenschaftsbanken neue Relevanz: Je stärker, je weitreichender und je umfassender der Ermächtigungskosmos der BaFin ist, desto mehr gerät die eigentliche Genossenschaftsidee unter die Räder, desto mehr verliert das Genossenschaftsrecht seine ursprüngliche Funktion der Wahrung von rechtlich geschützten Handlungsräumen.

Der Gesetzgeber sollte sich dringend die Frage stellen, ob ein von der BaFin beaufsichtigtes Universalbankgeschäft in der heutigen Form für die Rechtsform Genossenschaft überhaupt noch geeignet ist.














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